- June 7, 2017

Berliner Spätzünder

Delivery Hero geht an die Börse – später, als es sich der Investor Oliver Samwer gewünscht haben dürfte. Gut so!

Der Satz klang, als sollte er auch die letzten Zweifler überzeugen: “It will happen”, twitterte Delivery Hero am Dienstag, “es wird passieren.” Mit “es” meint das Berliner Unternehmen den Börsengang, den es kurz zuvor für diesen Sommer angekündigt hat – und über den man in der deutschen Internetszene seit drei Jahren spekuliert. Delivery Hero betreibt mehrere Essens-Bestellplattformen im Internet, unter anderem pizza.de und den Lieferdienst Foodora, und hat damit 2016 weltweit rund 300 Millionen Euro Umsatz erzielt. Das Unternehmen zögerte lange, an die Börse zu gehen, und hat so seinen wichtigsten Teilhaber vermutlich ziemlich frustriert: Rocket Internet und dessen Chef Oliver Samwer.

Für Samwer ist der Börsengang die erste gute Nachricht seit Langem. Der Serienunternehmer, der sich einmal als der aggressivste Mann im Internet bezeichnet hat, musste zuletzt eine Reihe von Rückschlägen verkraften. Sein Unternehmen Rocket Internet hat sich darauf spezialisiert, serienmäßig Internet-Unternehmen zu gründen und mit viel Geld aufzupumpen. Die erfolgreichen von ihnen werden dann versilbert, zum Beispiel durch einen Verkauf an Wettbewerber oder eben einen Börsengang. Letzteres ist Samwer allerdings seit 2014 nicht mehr gelungen, als er den Online-Versandhandel Zalando an die Börse brachte. Der erzielte 2016 mehr als drei Milliarden Euro Umsatz und 200 Millionen Euro Gewinn – eine Erfolgsgeschichte.

Seitdem aber mussten die Rocket-Gründungen ihre Börsengänge immer wieder verschieben, der Mutterkonzern schrieb tiefrote Zahlen, reduzierte die Mitarbeiterzahl, verfehlte die Erwartungen. In diesem Frühjahr schließlich verlor ein wichtiger Partner das Vertrauen in Samwer. Der schwedische Investor Kinnevik, der sich Berichten zufolge mit weit über einer Milliarde Euro an Rocket Internet und den Tochterfirmen beteiligt hatte, verringerte seine Anteile. Er nahm dabei sogar deutliche Kursverluste in Kauf. Beobachter werteten den Schritt als Misstrauensbeweis, wähnten Rocket Internet in einer tiefen Krise. An der Börse notierten die Aktien zeitweilig bei rund 15 Euro – und waren damit um fast zwei Drittel günstiger als beim Börsengang im Jahr 2014. Rocket Internet, in den Anfangsjahren ein Liebling der Investoren, war auf einmal im Sinkflug.

Nun verleiht ausgerechnet Delivery Hero Rocket Internet neuen Schwung – ein Unternehmen, das streng genommen nicht so recht zum Geschäftsmodell von Rocket Internet passt. Denn Rocket hat Delivery Hero nicht selbst gegründet, sondern sich daran im Jahr 2015 mit rund 500 Millionen Euro beteiligt. Und das zu einem Zeitpunkt, als Delivery Hero schon weit über eine Milliarde Euro wert war. Seit sich die Gerüchte über einen Börsengang in den vergangenen Wochen wieder mehrten, erholte sich auch der Kurs der Rocket-Aktie – zumal das Unternehmen seine Verluste im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vorjahresquartal deutlich reduzieren konnte. Am Dienstag notierten die Rocket-Aktien bei etwa 21 Euro – und damit in etwa so hoch wie vor dem Rückzug von Kinnevik. Rocket, scheint es, hat noch mal die Kurve gekriegt.

Der Börsengang von Delivery Hero könnte Investoren nachhaltig neues Vertrauen in Rocket Internet einimpfen – wenn die Essensplattform beim Börsengang tatsächlich wie angestrebt 450 Millionen Euro einnimmt. Auch andere Börsengänge von Rocket-Töchtern seien dann denkbar, glauben Beobachter. Der Kochboxenversender Hello Fresh etwa, der seinen Börsengang auch schon vertagen musste, könnte einen neuen Anlauf wagen. Das Vertrauen zurückzugewinnen ist für Rocket besonders wichtig, weil viele seiner Tochterfirmen jung sind, kaum verlässliche Zahlen aufweisen und einer Wette auf neue Geschäftsmodelle gleichen, die auch mit Fehlschlägen enden können.

Das dürfte Delivery Hero nicht mehr passieren. Niklas Östberg, einer der Gründer und Chef des Unternehmens, hat Wert darauf gelegt, erst zu wachsen und dann an die Börse zu gehen. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Umsatz des Unternehmens fast verdoppelt, weil die Zahl der Bestellungen rasant gewachsen ist und weil es mehrere andere ähnliche Plattformen übernommen hat. Im Wettbewerb mit Unternehmen wie GrubHub, Just Eat oder TakeAway.com kann es durchaus mithalten. Zwar erwirtschaftete das Unternehmen 2016 noch einen Verlust, doch Berichten zufolge erzielt es mit seinem Kerngeschäft, der Vermittlung von Essensbestellungen, in wichtigen Märkten schon Gewinn. Ein gutes Zeichen unter Digital-Unternehmen, bei denen die Umsätze häufig lange wachsen, bevor das Geschäft profitabel wird.

All das zeigt, dass es mit Börsengängen eben doch etwas anders ist als mit Lieferpizza. Die wird kühl und labberig, wenn sich der Lieferservice zu lange Zeit lässt. Unternehmen hingegen sollten sich ruhig Zeit nehmen, bevor sie ihre Aktien an den Mann bringen. Eine Erkenntnis, die Oliver Samwer vielleicht davon abgehalten hätte, Rocket Internet schon 2014 an die Börse zu bringen – womöglich wäre ihm so viel Frust erspart geblieben.

Recent News